Vorwort
Diese "Geschichte", dieses "Spiel" wurde von mir konzipiert und geschrieben, um das Schicksal von Flüchtlingen plastischer und emotional nachvollziehbarer zu machen.
Mir ist bewusst, dass niemand, der Fluchtschicksale nicht selbst erlebt oder beobachtet hat, sondern nur aus Erzählungen und Berichten kennt, auch nur annähernd emotional das Grauen verstehen kann, dem diese Menschen ausgesetzt waren, die Verzweiflung, die angesichts der Bedrohung des eigenen Lebens oder das der Liebsten entsteht, die tägliche, stündliche, minütliche Angst, die man verspüren muss, wenn man das Unglück hat, zur falschen Zeit am falschen Ort dieser Welt geboren worden zu sein und in ein Leben gerät, das man nicht gewollt, nicht verursacht hat und das man einfach verlassen muss - um zu überleben.
Ich widme diese Story, dieses "Spiel" jener Schülerin der Abendschule, die aus dem Kosovo flüchtete und die Frage auf der 60 Jahre Feier der Abendschule, was es denn wäre, was ihr an Deutschland am Besten gefalle, mit dem Satz beantwortete:
*"Ich muss keine Angst mehr haben, erschossen zu werden, wenn ich nur aus dem Hause trete."*
Meine Tränen, meine Wut, meine Verzweiflung über die Unfähigkeit der Menschen, diese Welt zu einem Garten Eden zu machen, gehören Dir!
<h6>[[Start]]</h6>
Du bist Madu, 15 jähriger Sohn von Adekunle und seiner Frau Sunita.
Du lebst in [[Nigeria]], dem größten Staat in Westafrika im Bundestaat Plateau. Dort wohnst Du in dem kleinem Dorf Ruku. Du hast zwei Schwestern, Yola ist 16 Jahre alt und Du bist sehr stolz auf sie: Sie ist sehr klug und wunderschön, Ivie ist 9 Jahre alt und nervt ein wenig, ständig will sie mit Dir spielen und bei der Feldarbeit ist sie auch nicht besonders hilfreich. Deine Brüder sind der elfjährige Almani und der 13 Jahre alte Gerwas. Du liebst sie, ihr geht zusammen zur Schule, was ein großes Privileg hier in Nigeria ist. Viele können nicht schreiben oder lesen.
Dein Vater hat Dir von früher erzählt, er ist froh, hier im Dorf als Bauer arbeiten zu können. "Nigeria ist 1960 unabhängig geworden," erzählt er Dir, "mein Vater hat es mir erzählt. Vorher gehörten wir zu Großbritannien, aber dann, plötzlich, waren wir frei!" Dein Vater brütet vor sich hin."Lange hat er nichts von dieser Freiheit gehabt," murmelt er, "er starb 1979, mit 45 Jahren. Die Menschen sterben früh in Nigeria."
Letzte Woche haben Dir Freunde aus dem Nachbardorf berichtet, dass sie Hirten aus dem Volk der Fulani gesehen hätten. Früher waren hier Weidegründe und die [[Fulani]] aus dem Norden haben selten ihr Vieh hier hingetrieben. Da haben die Bauern einfach Ackerland daraus gemacht. Und wenn doch mal eine Vieherde vorbeikam, gab es halt zur Abwechslung auch mal Fleisch. Auch wenn die Fulani sicher nicht ganz damit einverstanden waren, dass die Bauern das ein oder andere Stück Vieh entwendet haben. Der Priester in der Kirche hat dann immer geschimpft, "Du sollst nicht stehlen steht in der Bibel!" hat er mit zornerfüllter Stimme gepredigt. Egal. Das Fleisch schmeckt und die Fulani sind Muslime.
<h6>Du gehst zum [[Feld]] Du legst Dich [[Schlafen]]</h6>
Die Arbeit auf dem Feld ist hart, aber sie sorgt dafür, dass Deine Familie genügend Essen auf dem Tisch hat und alle ordentlich gekleidet sind. Und zur Schule könnt ihr auch noch gehen. Trotzdem: Eines Tages wirst Du dieses Dorf verlassen und etwas Anständiges lernen. Vielleicht sogar studieren, in Abuja, der Hauptstadt. Dann kannst Du Deiner Familie Geld schicken, weil Du als Ingenieur in den Ölfeldern im Süden arbeiten wirst. Da kann man Geld verdienen!
Du wirst aus Deinen Tagträumen gerissen. Vom Dorfplatz hörst Du Schreie. Dann das Knallen und Knattern von Gewehrschüssen. Noch mehr Schreie. Du riechst Rauch, siehst brennende Häuser.
Du rennst zum Dorfplatz, da, links und rechts von Dir spritzt Erde auf, Du hörst Gewehrfeuer. "Lieber Gott hilf mir!", denkst Du verzweifelt. Kalte Angst hat Dich gepackt. "Meine Schwestern, Vater Mutter...". Du schluchzt und rennst weiter.
"Madu! Maaaduuu!!!" Du hörst Deinen Vater, der Dir entgegengehetzt kommt.
"Hierher!" Aus dem Augenwinkel siehst Du Deine Mutter, die mit Deinen Schwestern wegläuft, als wäre der Teufel hinter den Dreien her.
<h6> Du läufst zu Deinem [[Vater]] Du läufst zu Deiner [[Mutter]]Du hast ein kleines bisschen ein schlechtes Gewissen. Eigentlich solltest Du Almani und Gerwas auf dem Feld helfen. Aber Du bist zu erschöpft. Die letzten Tage waren hart, Du hast viel gearbeitet und morgen ist wieder Schultag. Du freust Dich auf den Matheunterricht, das wirst Du gebrauchen können, wenn Du in Abuja, der Haupstadt Nigerias studieren willst.
Du hast noch keinem etwas von Deinem Traum, Ingenieur zu werden, erzählt.
Im Süden willst Du arbeiten, in der Ölregion! Viel Geld kannst Du dann noch Hause schicken und allen wird es gut gehen. Zufrieden schläfst Du ein...
Da! Ein Geräusch! Nein, Schreie! Knallen, Knattern von Gewehren, entsetzte Rufe! Nein, Du hast nicht geträumt! Du springst auf, kalte Angst ergreift Dich. Du stürmst zur Tür. Du riechst Rauch, es knistert im Dach. Du schaust hoch und bemerkst mit Entsetzen, dass euer Haus brennt!
Du rennst zum Dorfplatz, da, links und rechts von Dir spritzt Erde auf, Du hörst Gewehrfeuer. "Lieber Gott hilf mir!", denkst Du verzweifelt. Kalte Angst hat Dich gepackt. "Meine Schwestern, Vater Mutter...". Du schluchzt und rennst weiter.
"Madu! Maaaduuu!!!" Du hörst Deinen Vater, der Dir entgegengehetzt kommt.
"Hierher!" Aus dem Augenwinkel siehst Du Deine Mutter, die mit Deinen Schwestern wegläuft, als wäre der Teufel hinter den Dreien her.
<h6> Du läufst zu Deinem [[Vater]] Du läufst zu Deiner [[Mutter]]Dein Vater läuft Dir entgegen, packt Dich am Arm und zerrt Dich mit sich.
"Wo sind Almani und Gerwas?", schreit er. "Ich weiß es nicht!", schluchzt Du.
Er stößt Dich weiter. "Lauf zu den Büschen dort drüben!", schreit er mit überschlagender Stimme, "versteck Dich dort! Ich suche Almani und Gerwas!"
Da, ein Schuss, Du siehst, wie in Zeitlupe, dass aus dem Arm Deines Vaters ein Stück Fleisch herausgerissen wird. Blut spritzt Dir ins Gesicht. Dein Vater wird kreidebleich und fällt einfach auf den staubigen Boden. Noch ein Schuss, etwas pfeift an Deinem linken Ohr vorbei. Du fällst. Schreie. Gestank. Rauch. Blut. Dein Vater stöhnt. Dein Kopf ist leer. Kein Gedanke hat Platz. Dein Körper reagiert mechanisch, völlig willenlos. Gewehrknattern. Einige Frauen schreien, Du siehst wie sich johlend Männer auf sie werfen. Eines der Mädchen, die da auf dem Boden liegen, ist Taneesha. Du wolltest Dich morgen nach der Schule mit ihr treffen. Irgendwie zerrst Du an Deinem stöhnenden Vater, ziehst den halb Bewusstlosen in Richtung [[Büsche]].
Du hörst nicht auf Deinen Vater. Was sollst Du machen? Deine Mutter und Deine Schwester brauchen Dich! Du hast Angst, Du bist verzweifelt. Überall Männer die fluchend und schiessend durch das Dorf laufen. Häuser anzünden. Frauen zu Boden werfen. Mit Messern auf Männer einschlagen. Du kannst nicht denken, Du läufst. Du rennst. Hinter Dir ist der Tod. Du erreichst Deine Mutter. Da ein Schrei, Yola stolpert, fällt hin. Ein Mann kommt mit Gebrüll auf Euch zu, zieht eine Pistole.
Ein Knall, es pfeift an Deinem Kopf vorbei, Du spürst nichts, nur Angst, Angst, Angst. Der Mann stürzt sich auf Yola. Yola! Deine wunderschöne Yola, die kluge Yola, Deine Schwester. Wie der Knüppel in Deine Hand gekommen ist, weißt Du nicht, er ist einfach da. Du schlägst blind auf den Mann ein, triffst ihn irgendwie, irgendwo. Er stöhnt nur kurz, bleibt liegen. Blut sickert aus seinem Ohr. "Du sollst nicht töten, steht in der Bibel.", zuckt es Dir durch den Kopf. Yola liegt da, von Schreikrämpfen geschüttelt. Mutter und Ivie schreien auch, ziehen an Yola, Du reisst an Yolas Arm. "Komm , Komm, weg hier!", schreist Du ihr ins Gesicht. Abrupt enden Yolas Schreie. Willenlos lässt sie sich mitziehen.
Ihr erreicht die [[Büsche]]
Ihr verkriecht Euch in die Büsche. Immer noch Lärm, Schreie, Schüsse. Dir wird schlecht, Du musst Dich erbrechen. Dann wird Dir schwarz vor Augen. Du spürst nichts mehr.
Als Du aufwachst, weißt Du zunächst nicht, wo Du bist.
Da liegt Vater, ein blutigroten Stoff um seinen Arm gewickelt, Gerwas hält seinen Kopf auf dem Schoß. Yola sitzt da. Kreidebleich. Still. Starrt nur vor sich hin. Ivie wimmert leise. Almani ist nicht zu sehen.
Mutter hält Dich, streicht Dir über den Kopf. "Geht es Dir besser, Sohn?", fragt sie mit zitternder Stimme. Du nickst.
"Wo ist Almani?", fragst Du. "Wir wissen es nicht", antwortet Mutter. Du stehst auf. "Ich sehe nach!". "Bleib, es ist zu gefährlich!"
Aber Du mußt gehen. Brüder sind füreinander da. Du kriechst aus den Büschen. Das Gewehrknattern hat aufgehört. Überall laufen Menschen herum und versuchen die Feuer zu löschen. Almani ist auch dabei. Du bist so erleichtert, dass Du fast wieder in Ohnmacht fällst. "Er lebt, Mutter, er löscht die Feuer!" Aus den Büschen hört man nur ein Schluchzen.
<h6> Du gehst zum [[Dorfplatz]] </h6>Staub, Rauch, Hitze. Stöhnen, weinen, schluchzen, zuweilen ein aufgeregter Ruf. Immer wieder zum Bach laufen, in einen Eimer Wasser füllen, zum nächsten Haus laufen, das brennt, den Eimer abgeben, einen leeren Eimer nehmen, zum Bach zurück. Eine Stunde? Zwei Stunden? Du weißt es nicht. In Deinen Kopf passt kein klarer Gedanke, alles läuft automatisch. Endlich werden keine Eimer mehr gebraucht. Du siehst Dich um, wie erwachend aus einem Traum.
Auf dem Dorfplatz liegen Verwundete, Dein Vater ist auch dabei. Deine Mutter und Deine Schwestern müssen ihn hergeschafft haben. Du schleppst Dich zu ihnen, merkst Deine Erschöpfung.
"Die Familie von Adekunle und Sunita mit ihren Töchtern Ivie, Yola und den Söhnen Madu, Gerwas und Almani lebt." denkst Du. Das ist das Wichtigste.
Das Haus ist abgebrannt. Die Nachbarn würden zusammenstehen und füreinander sorgen. Häuser kann man wieder aufbauen. Leben sind für immer ausgelöscht, wenn es einmal aus dem Körper entwichen ist.
Dein Vater wird versorgt, eine Ärztin geht herum, prüft Verbände, spricht tröstende Worte. "Madu", sagt Dein Vater, "Du bist der Älteste. Kümmere Dich um unsere Familie!"
Der Bürgermeister hat auch überlebt. "Zehn Tote", sagt er. "20 Verletzte, einige schwer." Er schweigt, schluchzt, wendet sich ab. Was soll man sagen?
Da, Blaulicht! Drei LKWs mit Soldaten kommen, sie springen ab.
"Wo ist der Bürgermeister?", ruft der Kommandant.
Der trottet mit gesenktem Haupt zu ihm hin.
Du bist neugierig, willst gerne hören, was sie zu bereden haben. Aber eigentlich musst Du schnell ins Nachbardorf, etwa 10 Meilen nordwestlich. Da leben zwei Onkel mit ihren Familien, die können bestimmt helfen.
<h6> Du belauscht das [[Gespräch]] Du gehst ins [[Nachbardorf]] </h6>
"... dann kamen sie", hörst Du den Bürgermeister sagen, "sie hatten Sturmgewehre und schossen wild um sich". "Sturmgewehre sagen Sie?, Hm. Woher sollen [[Fulani]]- Hirten Sturmgewehre haben? Sind Sie sicher, dass das nicht die [[Boko Haram]] waren?", fragte der Kommandant. "Boko Haram!", schnaubte der Bürgermeister, "nein, ganz sicher Fulani! Die haben im Nachbardorf vor ein paar Tagen welche gesehen und die Fulani wollten das Vieh auf den Feldern weiden. Sagten, das sei ihr gutes Recht!". Der Kommandant brütete vor sich hin. "Nun denn", brummte er schließlich "Präsident Muhammadu Buhari sagt, dass es nicht unsere Fulani sind. Sie kommen aus den Nachbarländern. Sei es so wie es ist, wir werden die Gegend durchkämmen. Vielleicht können wir sie stellen." Er wendet sich ab, befiehlt seinen Soldaten aufzusitzen und die Lastwagen verlassen das Dorf.
Der Bürgermeister steht mit hängenden Schultern da. Er sieht Dich. "Madu!", ruft er, "hast Du alles gehört?" Du nickst. "Gut. Würdest Du zu unserem Nachbardorf gehen und sie warnen?"
Du wolltest sowieso los und hast schon zuviel Zeit hier verbracht.
<h6> [[Nachbardorf]]Es ist kein Spaß, nachts durch Nigeria zu laufen. Weder in den Städten noch auf dem Land. Immer wieder werden Menschen überfallen, ermordet oder verschleppt. Die [[Boko Haram]] entführen Kinder und zwingen sie, als Soldaten zu kämpfen. Ganze Dörfer wurden von ihnen ausgelöscht, Du hast von unglaublichen Gräueltaten gehört. In einem Dorf wurden allen Männern die Hände grausam abgehackt, die Frauen und Kinder verschleppt. Du schauderst.
"Madu! Maaaaduuuu!" Jemand ruft Deinen Namen. Es ist Onkel Ylma. Er schliesst Dich in die Arme, streicht über Deinen Kopf. Alles bricht aus Dir heraus, Du weinst. "Alles wird gut", sagt er zärtlich, "was ist passiert?".
Du erzählst alles, was Du in den letzten 24 Stunden erlebt hast. Dein Onkel ist starr vor Entsetzen, bringt Dich zum Bürgermeister. Du musst alles wiederholen. Immer und immer wieder musst Du das Grauen wiederholen.
Der Bürgermeister alarmiert das Dorf, es werden Wachen aufgestellt. Jeder hat Angst. Aber der Tag bleibt ruhig, nichts passiert. Auch die Nacht nicht. Dein Onkel will mit Dir zurück, der Bürgermeister verbietet es. Er soll noch einen Tag bleiben. Auch der folgende Tag bleibt ruhig.
<h6> Du gehst zurück nach [[Ruku]]<H5> Die Viehhirten stammen mehrheitlich aus dem Norden Nigerias. Der Klimawandel, der den ohnehin trockenen Norden zunehmend ungeeignet für die Viehzucht macht, lässt sie in die Mitte und den Süden des Landes vorrücken. Das führt besonders in der fruchtbaren Zentralregion, der Kornkammer Nigerias, zu Konflikten. Zu den am stärksten betroffenen Gebieten gehören die Bundesstaaten Plateau, Benue, Taraba, Kaduna und Nasarawa...
Der Konflikt zwischen den Bauern und den Hirten schwelt schon lange, doch in Gewaltakten entlädt er sich erst, seit die Fulani in den vergangenen Jahren die Bauern mit Waffen angreifen. Nach Zahlen des Global Terrorism Index des Institute of Economics and Peace sind zwischen Januar und September 2018 ungefähr 1700 Menschen bei Angriffen durch Fulani-Hirten ums Leben gekommen, sechs Mal so viele, wie im gleichen Zeitraum auf das Konto der islamistischen Miliz Boko Haram gingen...
Nura Abdullahi ist der Vorsitzende der Miyetti Allah Cattle Breeders Association im Bundesstaat Plateau, der wichtigsten Organisation von Fulani-Hirten. Abdullahi sieht vor allem den Klimawandel als Grund für die Wanderungsbewegung der Viehzüchter. „Im Norden ist die Sahara auf dem Vormarsch, das zwingt die Hirten, weiter ins Landesinnere zu ziehen“, sagt er...
Die zumeist christlichen Bauern werfen den Fulani sogar vor, einen Religionskrieg gegen sie zu entfesseln. Viele der Opfer in Plateau leben in Dörfern der Berom und Irigwe, die in der Regel Christen sind. Dalyop Solomon, ein Vertreter der Berom, sieht hinter den Angriffen teilweise das Motiv, den Islam zu verbreiten. „Das eigentliche Ziel der Fulani ist es, eine islamische Enklave zu schaffen, in der sie allein das Sagen haben. Bei ihren Angriffen zerstören sie gezielt Kirchen, um auf dem Gelände dann Moscheen errichten zu können“, sagt er. „Das ist ein reiner Religionskrieg, ein religiöses Pogrom, religiös motiviertes Blutvergießen.“
Dass es jedoch nicht allein um Religion geht, zeigt sich daran, dass die Fulani auch Konflikte mit anderen muslimischen Gemeinschaften haben. Im Bundesstaat Zamfara attackieren die Hirten regelmäßig Hausa-Bauern, die mehrheitlich Muslime sind.
(link: "Quelle: www.welt-sichten.org")[(open-url:
"https://www.welt-sichten.org/artikel/36347/nigeria-blutiger-kampf-um-knappes-land")] Abruf am 26.09.2020 </h5>
<h6>[(link-goto: "Zurück", (history:)'s last)]</h6>
<h5> Boko Haram ist eine islamistische terroristische Gruppierung im Norden Nigerias, die auch in den Anrainerstaaten Tschad, Niger und Kamerun aktiv ist.
Boko Haram setzt sich für die Einführung der Scharia in ganz Nigeria und das Verbot westlicher Bildung ein; auch die Beteiligung an Wahlen lehnt sie ab. Boko Haram ist bekannt für die Ermordung von Christen und von Muslimen, die sie nicht unterstützen. Ethnisch gehören die meisten Mitglieder von Boko Haram dem Volk der Kanuri an.
Die Gruppe bringt sich selbst mit den Taliban in Verbindung. Auch die lokale Bevölkerung nennt sie „die Taliban“. Das Hauptquartier der Sekte befand sich bis zum Tod von Sektenchef Ustaz Mohammed Yusuf in Maiduguri.Die Führung der Gruppe hat die Shura übernommen, ein Rat aus 20 Männern, der Kontakte nach Tschad und Kamerun unterhält. Ihr Sprecher war Abubakar Shekau. Der Gruppe werden Verbindungen zu Al-Qaida im islamischen Maghreb, Al-Shabaab in Somalia und zu Terrorcamps in Afghanistan nachgesagt. Außerdem soll Boko Haram sich zusammen mit Al-Qaida an Ansar Dines Besetzung Timbuktus, Gaos und Kidals in Mali beteiligt haben. Boko Haram hat keine Verbindung zur Aufstandsbewegung Movement for the Emancipation of the Niger Delta, die im Nigerdelta seit 2006 gegen die Ölindustrie kämpft.
Im Januar 2012 spaltete sich die Terrororganisation Ansaru von Boko Haram ab. Nachdem sich 2015 Boko Haram formell der Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) anschloss, kam es 2016 zu einer Spaltung der Gruppe: Ein Teil verblieb unter der Führung von Abubakar Shekau, ein anderer bildete unter der Führung des vom IS bestellten Abu Musab al-Barnawi die Westafrika-Provinz des IS.
Bei Angriffen der Gruppe wurden seit dem Jahr 2009 etwa 35.000 Menschen getötet; rund zwei Millionen Menschen machten sich wegen der Gruppierung auf die Flucht.
(link: "Quelle: Wikipedia")[(open-url: "https://de.wikipedia.org/wiki/Boko_Haram")] Abruf am 26.09.2020 </h5>
<h6>[(link-goto: "Zurück", (history:)'s last)]</h6><h5> Das bevölkerungsreichste Land Afrikas sieht sich zahlreichen Gewaltkonflikten sowie tiefen politischen, sozioökonomischen und kulturellen Spaltungen gegenüber. Präsident Buhari, der einstige Putschist, Juntachef und Förderer der Islamisierung Nordnigerias, bleibt auch in seiner zweiten und letzten Amtszeit lediglich Sachverwalter des krisengeschüttelten Landes.
**Aktuelle Situation**
Mehr als ein Jahr nach umstrittener Wiederwahl von Muhammadu Buhari im Februar 2019 befindet sich das Land weiterhin im Krisenmodus. Im Verlauf der Wahlen kamen vor allem in Zentral- und Südnigeria mehrere hundert Menschen ums Leben. Die Wahlbeteiligung lag lediglich bei 35%. Die selbst für Nigeria niedrige Wahlbeteiligung erklärt sich hauptsächlich aus der rechtswidrigen Verschiebung der Wahlen durch die Wahlkommission, die die drohende Abwahl von Buhari verhindern sollte. Diese Entscheidung und die als Einschüchterung gedachte martialische Militär- und Polizeipräsenz am Wahltag hielten vor allem im südlichen Landesteil mehrere Millionen Wähler davon ab, ihre Stimme abzugeben.
Nie zuvor gab es so viele Gerichtsverfahren wegen Unregelmäßigkeiten und Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit der Aufstellung der Kandidaten und der Auszählung der Wählerstimmen. Mehr als 1.500 Verfahren offenbaren die Schwäche der Wahlkommission angesichts der Manipulationen und des Drucks der großen Parteien und der Regierung. Unbeschadet davon bestätigte der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) die Rechtmäßigkeit der Wiederwahl Buharis und der meisten Ergebnisse bei den wichtigen Gouverneurswahlen.
Das Versprechen Buharis und der neuen Regierung, "die Sicherheitslage merklich zu verbessern, die Wirtschaft zu restrukturieren und die Korruption erkennbar einzudämmen", ist wenige Monate nach den Wahlen weitgehend im Sande verlaufen. Nigeria erlebt erneut eine schwere politische und wirtschaftliche Krise, die durch den Einbruch der Weltmarktpreise für Öl und Gas und Folgen der COVID-19-Pandemie noch zusätzlich verschärft wird.(link: "Quelle: www.bpb.de")[(open-url:"https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/176466/nigeria#:~:text=Aktuelle%20Situation,Wahlbeteiligung%20lag%20lediglich%20bei%2035%25.")] Abruf am am 27.09.2020 </h5>
<h6>[(link-goto: "Zurück", (history:)'s last)]</h6>Zwei Monate sind seit dem Überfall vergangen. Vater geht es besser, aber der Arm wird wohl nie wieder richtig zu gebrauchen sein. Das Haus ist notdürftig wieder aufgebaut worden. Die Familie hat das nächste Unglück erreicht. Ein Teil des Feldertrags sollte auf dem Markt in der Universitätsstadt Agwala verkauft werden. Die Nachbarn hatten sich zusammengeschlossen und drei von ihnen haben auf dem Markt gut verkaufen können.
Auf dem Rückweg sind sie überfallen worden, das gesamte Geld ist verloren. Sie können froh sein, dass außer einem gebrochenen Arm nichts weiter passiert ist. Soldaten haben den Überfall beobachtet, aber nicht eingegriffen. Sie haben hinterher angeboten, für "eine kleine Entschädigung" nach Ruku mitzukommen, um die Nachbarn zu beschützen. Das war aber kein Angebot, sondern Erpressung. In Ruku mussten alle zusammenlegen um das geforderte Entgelt bezahlen zu können.
"Wir müssen hier weg", sagt Mutter, "hier werden wir früher oder später sterben!". "Aber wohin?", fragt Vater. Dein Onkel schlägt vor, in den Süden zu gehen. Nach Lagos oder in einer der Städte mit den Ölraffinerien. Port Harcout, Warri oder Benin City. Dort gibt es sicher Arbeit."Auch nicht sicher", sagt Vater. Yola meint, ihre Freundin Taneesha sei nach Europa aufgebrochen. Dort bekommt man vom Staat Geld, wenn man einen Asylantrag stellt. Die schicken einen nicht zurück. Die Menschen dort sind gut, hat sie gehört. Man bekommt eine tolle Wohnung, jeden Tag etwas zu essen. Geht zur Schule. Macht eine Ausbildung. Und man braucht keine Angst zu haben, erschossen zu werden, wenn man nur vor die Tür geht. Diese Worte wirken wie ein Echo in Deinem Kopf. Schule. Universität. Geld. Keine Angst. Keine Angst! Keine Angst!!!
Dein Onkel steht auf. Er kenne jemanden, sagt er. Er wird uns helfen.
<h6> [[Familienrat]]Wieder ist eine Woche vergangen. Die Familie sitzt beisammen. Deine Eltern, Yola, Gerwas, Deine Onkel Ylma und Kobe. Und ein Mann namens Sosthene. Er lächelt, aber seine Gesichtszüge sind hart." Es gibt drei Routen aus Nigeria heraus. Über den Bundesstaat Yobe in den Niger, über Borno in den Tschad oder Kamerun. Ich würde nicht empfehlen, es über Borno zu versuchen. Da regiert sozusagen die [[Boko Haram]]. Das man das überlebt, ist unwahrscheinlich." "Was ist mit den Städten im Süden?", fragt Dein Onkel Kobe.
Sosthene lächelt." Kann man machen", sagt er. "Aber hast Du schon einmal etwas vom [[Movement for the Emancipation of the Niger Delta]] gehört? Die kämpfen überall in den Städten dort unten gegen die ausländischen Ölgesellschaften. Autobomben, Terroranschläge. Überfälle. Dazu noch Gangs in den Städten, die auch nicht gerade freundlich sind. Die Polizei und das Militär tut nichts oder wenig, sie lassen sich von denen bezahlen, damit sie ruhig bleiben." "Was schlägst Du vor?", fragt Mutter. "Ich bringe den Jungen hier", - er zeigt auf Dich, "in die Hauptstadt Abuja. Dort habe ich Verbindungen, er bekommt ein Busticket nach Yobe. von dort aus geht es über den Niger durch die Sahara nach Libyen. Von dort aus über das Mittelmeer nach Italien. Von dort nach Deutschland. Die Route ist nicht ungefährlich, aber ich habe jede Menge Freunde, die ihn unterwegs versorgen und ihn weitertransportieren, wenn er denn Geld hat.
Er braucht ein Handy und ihr auch, damit ihr in Kontakt bleiben könnt."
<h6> Die Sache mit dem [[Geld]]</h6><h5> Die Bewegung für die Emanzipation des Nigerdeltas (abgekürzt MEND von Movement for the Emancipation of the Niger Delta) ist eine Rebellengruppe, die seit Anfang 2006 gegen die nigerianische Regierung und internationale Ölfirmen, welche im Nigerdelta Öl fördern, um die Kontrolle in der Ölregion kämpft.
Die Aktivitäten der MEND stehen vor dem Hintergrund der massiven Umweltschäden, welche durch die Erdölförderung im Nigerdelta verursacht werden, und der damit einhergehenden Beeinträchtigung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Auch wird die Region selbst kaum oder gar nicht an den Gewinnen aus dem Erdölexport beteiligt. Der Entstehung der MEND war bereits seit den 90er Jahren ein blutiger Konflikt im Nigerdelta vorausgegangen, für den auch multinationale Ölkonzerne verantwortlich gemacht werden.
Geführt wird die MEND von dem selbsternannten Generalmajor Goodwill Tamuno.[1] Sie rekrutiert sich aus der Ijaw-Rebellengruppe Niger Delta People’s Volunteer Force (NDPVF) und fordert wie die NDPVF die Freilassung des NDPVF-Führers Dokubo-Asari.[2]
Die MEND bildet eine vom Joint Revolutionary Council (JRC) gesteuerte Allianz mit der Martyrs Brigade[3], die von Cynthia White gegründet wurde, nachdem sie als frühere Sprecherin von Alhaji Mujahid Dokubo-Asari die NDPVF verlassen hatte.
(link: "Quelle: Wikipedia")[(open-url:
"https://de.wikipedia.org/wiki/Movement_for_the_Emancipation_of_the_Niger_Delta")] Abruf am 27.09.2020 </h5>
<h6>[(link-goto: "Zurück", (history:)'s last)]</h6>"Was wird das kosten?", fragt Vater. "Das wird teuer, das muss euch klar sein. Am besten ihr besorgt euch Dollar oder Euro. Wenn ihr dem Jungen 1100 Euro mitgeben könnt, dann sollte er die 4000 km bis zum Mittelmeer schaffen können. Besser wären 2000 Euro."
Alle schweigen betreten. Um 1000 Euro zu verdienen, muss man in Nigeria länger als ein Jahr arbeiten. Und nun sogar das Doppelte! Und von dem Geld muss man doch leben! "Das schaffen wir nie!", denkst Du.
"Wir machen das!", ruft Vater. "Wir leihen uns Geld, wir kratzen das zusammen. Und wenn Madu in Deutschland ist, holt er uns nach! Ich will meine Kinder in Sicherheit und Frieden wissen."
Es ist beschlossene Sache. Du brichst mit Sosthene nach Abuja auf.
<h6>[[Abuja]]</h6>Irgendwo in Abuja. Ein Busbahnhof. Menschen um Dich herum, mit Gepäck. Kinder, Alte, junge Menschen. Sosthenes hat Dir 100 Euro abgenommen, für seine Dienste, sagt er. Er schärft Dir ein, ja nicht die Station kurz vor der nigerianischen Grenzen zu verpassen. Dort aussteigen. Auf einen Mann achten, der einen grünen Hut und ein grün weiss getreiftes Hemd trägt. Den ansprechen und schöne Grüße von Bruder Sosi ausrichten. Alles Weitere erfährst Du dann. Die Busfahrt ist furchtbar. Der Bus ist vollgestopft mit Menschen. Du hast Angst um Dein Geld und die paar Habseligkeiten, die Du in Deinem Rucksack mit Dir trägst. Wagst kaum zu schlafen, aus Furcht, man könnte Dich bestehlen. Aber Du hast Glück. Nichts passiert. Man hat Dir eingeschärft, vorsichtig zu sein. Nördlich von Plateau sind alle Bundesstaaten islamisch, es gilt die Scharia, das islamische Rechtssystem. Gut 800 km ist die Strecke durch die Bundesstaaten Bauchi und Yobe. Hier ist [[Boko Haram]] aktiv. An einer Station hat man Dir erzählt, dass zwei Tage vorher ein Bus überfallen wurde. Die jungen Männer wurden verschleppt, die Frauen auch, den Rest hat man ausgeplündert und getötet.
Kurz vor der Grenze steigst Du aus.
<h6> [[Niger]]</h6>
Du entdeckst Deinen Kontaktmann. Richtest ihm die Grüße aus. "Wo ist Dein Geld?", fragt er. Du bist verwirrt. "Wenn Du kein Geld hast, kannst Du gleich wieder umkehren", droht er. Er verlangt 200 Euro oder 300 Dollar. Du gibst ihm 200 Euro. Er sieht, wie Du das ungewohnte Geld abzählst. "Und 50 Euro Nachtzuschlag für die gefährliche Fahrt." Dir bleibt nichts anderes übrig, Du gibst ihm das Geld. "Wir warten noch auf zwei Mitfahrer", meint er. Seinen Namen hat er nicht genannt. Die beiden kommen, ein Mann und eine etwa 18 jährige Frau. Beide sind schweigsam, zahlen in Dollar.
Es ist dunkel geworden, der Fahrer und drei weitere Menschen quetschen sich auf ein Motorrad, halten sich fest. Es geht los. Der Fahrer fährt schnell, hat Angst, Du klammerst Dich an ihn. Hinter Dir sitzt die Frau, die fest Deinen Bauch umschlungen hat, dann der andere Mann. Auf einmal gibt der Fahrer wie irre Gas, weicht von der Straße ab, es geht über Grasland. Du fällst fast herunter, kannst kaum etwas sehen. So geht es bestimmt eine Stunde durch die Dunkelheit bis der Fahrer hält und die Maschine abstellt. "Wir warten", sagt er kurz und schweigt dann. Eine halbe Stunde später siehst Du Scheinwerfer, ein Pick Up kommt angerattert, die Ladefläche voller Menschen. Ein Mann springt aus der Fahrerkabine. "Geld, wo ist euer Geld", schreit er. Diesmal bist Du schlauer, drehst Dich um, bevor Du ihm 400 Euro für die Tour abzählst.
<h6> [[Sahara]]</h6>
Du kletterst auf die Ladefläche, versuchst einen Platz zu finden. Menschen fluchen, stöhnen. Als Du schließlich zur Ruhe kommst, zählst Du insgesamt 24 Menschen auf der kleinen Ladefläche. Männer und einige wenige Frauen.
Der Pick up braust los. Es ist heiß, Du schwitzt, hast Durst. Fummelst eine Wasserflasche aus dem Rucksack. Das Mädchen vom Motorrad leckt sich die Lippen, Du reichst ihr die Flasche, sie trinkt dankbar.
Du schläfst ein.
Irgendwann wachst Du auf, den Rucksack immer noch krampfhaft vor Deinem Bauch haltend. Es ist fast schon hell geworden und sehr kalt, in der Wüste ist die Hitze des Tages längst verloren gegangen. Du zitterst.
Ihr haltet an, habt eine Wasserstelle erreicht. Ein paar schäbige Hütten. Die Männer beziehen eine, die Frauen eine andere. Ihr müsst hier warten, bis ihr weitergeschleust werdet.
Auf einmal Geschrei aus der Frauenhütte. Einige der Schleuser sind dort eingedrungen. Nach dem Erlebnis mit den Fulani - Hirten weisst Du, was dort passiert. Du kannst nichts machen, nicht helfen, denn Deine Hütte wird bewacht, von Männern, die Gewehre tragen.
Die neue Schleusergruppe kommt, die erste Frage ist wieder die Forderung nach Geld.
<h6> [[Libyen]]</h6>>Ihr seid in Libyen. Das Zeitgefühl hat Dich verlassen. Wie oft habt Ihr angehalten? Dreimal? Viermal? Du weißt es nicht mehr. Es ist Dir auch egal. Jedes Mal war es aber der gleiche Ablauf. "Geld! Geld!", schreien die Schleuser. Trennen Männer und Frauen. Frauen schreien. Am Anfang hast Du geweint. Nun nicht mehr. Was kann man machen? Nichts.
Ihr erreicht ein großes Lager. Schreie. Geld. Ihr werdet verteilt, die Männer und Frauen diesmal nicht getrennt. Man sagt Euch, die Boote werden bald zusammengestellt, sie müssen aber noch angeliefert werden. Schöne große Schlauchboote. Mit Außenbordmotoren. Einer von Euch soll als Navigator bestimmt werden, er erhält ein Navigationsgerätund ein Satellitentelefon. Das kostet natürlich, aber ohne die beiden Geräte ist an eine Überfahrt nicht zu denken.
Einen Tag danach werden die Bootsbesatzungen zusammengestellt. Unter Schlägen und Flüchen werden jeweils etwa 100 Menschen zusammengetrieben, die eine Besatzung bilden sollen. Es gibt ein spezielles Angebot. Für 3000 Euro kann sich das Boot eine Plakette kaufen. Sollte die libysche Küstenwache ein Boot aufgreifen, kann man die Plakette vorzeigen und man kommt nicht in das Internierungslager. Man kann dann weiterreisen. Deine "Crew" berät sich. Die meisten haben gerade noch genug Geld, um den Platz auf dem Boot zu bezahlen, etwa 1000 Euro. Aber ihr sammelt und bringt das Geld zusammen, die Flucht soll nicht mehr scheitern.
<h6> Du betrittst das [[Boot]]</h6>
Wasser. Hitze. Wellen. Menschen. Das Boot ist viel zu klein für 100 Menschen, dementsprechend tief liegt es im Wasser. Der Außenbordmotor ist schwach, er tuckert unangenehm laut, stottert manchmal, fängt sich wieder, schiebt das Boot durch die Wellen des Mittelmeers. Angst? Ja, aber jede Welle bringt Dich näher an den Garten Eden. Nach Europa. In die Sicherheit. In die Zukunft. Alle fühlen so. Es wird gesungen. Einige machen Selfies mit ihren Handys. Die Menschen hier kommen aus verschiedenen Regionen Afrikas. Eritrea. Gambia. Somalia. Nigeria. Alle wollen Sicherheit. Alle wollen Zukunft.
Der Motor stottert, das Singen erstirbt. Die Gesichter wirken besorgt. Der Mann am Außenborder fummelt, versucht ihn in Gang zu halten. Vergeblich. Der Motor gibt ein letztes Knattern von sich, dann Stille. Wenn das Boot längst zu den Wellen treibt, dringt noch mehr Wasser ein. Der Mann am Navigationsgerät telefoniert über das Satellitentelefon. Aufgeregte Stimmen. Dann nichts. Die Nachricht verbreitet sich, dass Hilfe unterwegs sei. Alle haben Angst. Das Boot fasst Wasser. Alle versuchen zu schöpfen. Du hast das Gefühl, je mehr Wasser Du ausschöpfst, desto mehr kommt herein. Nach einer Stunden ist jedem auf dem Boot klar: Wir sinken. Einige beten laut. "Allahu Akbahr. A’udu bilahi mina shaitani-r-radjim. Gott ist groß. Ich suche Zuflucht bei Allah vor dem verfluchten Satan", beten die Muslime.
"Lieber Gott, in Deine Hände legen wir unsere Seelen. Beschütze uns vor dem Meer, lass uns nicht verderben!", beten die Christen.
Einige Muslime murren, einige Christen murren. Aber jeder bangt um sein Leben.
Der Gott der Christen und Muslime scheint Euch erhört zu haben. Eine weitere lange Stunde später erscheint ein Schiff. Die Menschen weinen, sie lachen, sie liegen sich in den Armen. Einige sind so erschöpft, dass sie nichts mehr machen können, sie regen sich kaum.
Das Schiff trägt den Namen "Seawatch 4".
Du bist gerettet.
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Madu ist ein fiktiver Charakter. Seine Fluchtgeschichte ist von mir erfunden. Und trotzdem ist sie wahr. Ich habe die Fluchtgeschichten mehrerer Menschen zu einer einzigen fiktiven Geschichte zusammengesetzt.
Alle Begebenheiten und Erlebnisse, die Madu durchlitten hat, sind wahre Geschichten anderer Menschen. Sie lassen sich leicht recherchieren, wenn man denn gewillt ist, mehr über die Fluchtgründe von derzeit mehr als 72 Millionen Menschen zu erfahren.
Auch wenn Madu Europa als Ziel gewählt hat, verbleibt ein Großteil der Flüchtlinge in der Region. Allein im Norden Nigerias sind nach Auskunft von Caritas International 7,7 Millionen auf Hilfe von Außen angewiesen. Wenn sie ihre durch die Terrormiliz Boko Haram bedrohten Gebiete verlassen, fliehen sie in andere, scheinbar sichere Gebiete Nigerias.
Der wunderbare Artikel 1 der deutschen Verfassung sagt:
<h5>*Die Würde des Menschen ist unantastbar.*</h5>
Er ist eine Mahnung und eine Verpflichtung.
Franz Kafka schrieb 1903 seinem Freund Oskar Pollak:
<h5>*Wenn du vor mir stehst und mich ansiehst, was weißt du von den Schmerzen, die in mir sind und was weiß ich von deinen. Und wenn ich mich vor dir niederwerfen würde und weinen und erzählen, was wüßtest du von mir mehr als von der Hölle, wenn dir jemand erzählt, sie ist heiß und fürchterlich. Schon darum sollten wir Menschen voreinander so ehrfürchtig, so nachdenklich, so liebend stehen wie vor dem Eingang zur Hölle.*</h5>
Lasst uns versuchen, die Hölle zu verstehen und die Würde derjenigen zu bewahren, die durch die Hölle gegangen sind.
Thomas Daroszewski(link: "Speichern")[(save-game: "file A")] (link: "Laden")[(load-game: "file A")]