Einsatz interaktiver Textgeschichten im Politikunterricht

maduAls 1980 das Spiel „Zork“ des US-amerikanischen Unternehmens Infocom auf dem Markt kam, eroberte es in kurzer Zeit den Spielemarkt. Das Spielprinzip ist einfach: textbasierte Szenebeschreibungen erfordern von Spielerinnen und Spielern Entscheidungen und führen durch das Spiel. Im Original galt es, 20 Artefakte zu „finden“ und in einer Holzvitrine zu platzieren.

Wurde das Original noch auf Großrechnern entwickelt, ist mit der Einführung des World Wide Web und der Programmiersprache HTML einfach, solche Entscheidungsbäume zu konstruieren.

Faszinierend ist, dass die Szenerie ausschließlich durch Text beschrieben wird, wie in einem Buch entsteht das Szenenbild ausschließlich im Kopf der Spielenden.

Mit dem kostenlosen Open Source Programm „twine2“ (https://twinery.org/) ist es möglich, völlig ohne Programmierkenntnisse ein solches Textadventure zu entwickeln und zu veröffentlichen.

Ich habe für den Politikunterricht der Q2 Phase an der Abendschule ein solches Adventure entwickelt und setze es im Themenbereich Internationale Politik, „Flucht und Vertreibung“ ein.

Dieses Thema ist letztmalig eines der beiden Schwerpunkte des Zentralabiturs Politik in Bremen.

Eine Forderung des Bildungsplans ist: „An Fallbeispielen vollziehen die Schülerinnen und Schüler die konkrete Ausprägung, Bandbreite und Tragweite individueller Fluchtentscheidungen nach.“

Ich habe in der Vergangenheit versucht, dies durch (meist filmische) Dokumentation verschiedener Fluchtschicksale zu erreichen. Dabei habe ich festgestellt, dass die SuS zwar Anteilnahme empfanden, aber auch mit Beiträgen, wie: “Das sehen wir fast täglich im TV! Was soll ich jetzt damit?“ reagierten.

Ich habe nun versucht, die SuS in die Lage eines Flüchtlings aktiv zu versetzen und ein Text“adventure“ entwickelt, das sie in die Rolle eines nigerianischen Flüchtlingsjungen gezwungen hat. Dies möchte ich erreichen, indem ich die Form gewählt habe „Du bist Madu, ein nigerianischer Junge aus dem Bundesstaat Plateau in Nigeria“. Sie erleben konsequent die Flucht aus Madus Sicht, müssen Entscheidungen fällen und erleben Stationen seiner Flucht.

Ich habe bewusst die Fluchterfahrungen eines männlichen Flüchtlings gewählt, einerseits um auf detaillierte Fluchterlebnisse weiblicher Flüchtlinge verzichten zu können (ich glaube, diese wären emotional sehr belastend, zumal der überwiegende Teil meiner SuS in diesem Kurs weiblich ist), zum anderen um die SuS in die Lage zu versetzen, zum „Vorwurf“ Stellung zu beziehen, dass Flüchtlinge überwiegend männlich seien.

Die Fluchtgeschichte von Madu ist fiktiv und trotzdem wahr, ich habe sie aus verschiedenen, dokumentierten Fluchtgeschichten zusammengesetzt.

Nigeria habe ich deshalb gewählt, weil der Bildungsplan einen Subsahara Staat im Sinne der Definition des Bundesministerium f. Wirtschaft als Untersuchungsgegenstand vorschreibt und weil das Land trotz gewaltiger Rohstoffvorkommen arm ist. Man kann hier sehr gut Konflikte zwischen den Ethnien und Religionen, Einfluss terroristischer Verbände, Folgen des Kolonialismus, Einfluss ausländischer Mächte und die Korruption der Administration untersuchen.

Vorbereitet habe ich die Arbeit mit der Geschichte durch eine Doppelstunde, in der wir Situation Nigerias anhand von Statistiken, Kartenmaterial, und Lehrerinputs untersucht haben.

Im September 2020 lag Nigeria laut Statistik des BMF an 7. Stelle der Flüchtlingsstatistik, obwohl in Nigeria keine aktuelle Kriegssituation herrscht. Die SuS bearbeiten das Text“adventure“ in Form einer Hausaufgabe, sie sollen die Push Faktoren zusammentragen und die Chance auf Asyl in Deutschland für Madu vor dem Hintergrund des Dublin Verfahrens bewerten.

Sie erreichen Madus Flüchtlingsgeschichte über den folgenden Link: https://darodigital.de/Texte/Eden.html

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